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Hausbau und Baubegnadigungen in der Grafschaft Rietberg 1705-1821

Auch unter der Regierung der Grafen von Rietberg gab es schon eine Wohnungsbauförderung. Wer sein Wohnhaus, seine Leibzucht oder seine Backhaus neu erbauen wollte oder das Strohdach durch ein Ziegeldach ersetzten wollte, der richtete eine Supplik an den Grafen um Hilfe. Wenn ein Haus abbrannte duldete der Bau keinen Aufschub. Die Abfassung dieser Suppliken überließ der Bauer in der Regel jemanden, der sich mit solchen Schriftsätzen auskannte. Deshalb gleichen sich die Schreiben über viele Jahre im Aufbau sehr.

Nach den üblichen untertänigsten Anreden schilderte der Bittsteller seinen Fall, so am 20. 2. 1794 der Eintäger Kammerewerd in Druffel Nr. 19:

Am 20. laufenden Monats spät am Abend, da untertänigster Supplicans in der Stube mit seinem Gesinde arbeitete, und keinen Unglücks Vorfall sich dachte, sahe er bei Eröfnung der Stubenthüren, sein Hauß über sich in vollen Flammen, sahe, dass glühende Kohlen ihm schon vom Balken entgegen regneten. Keine Möglichkeit einiger Rettung ware in diesem Augenblicke mehr zu sehen, es ware spät am Abend, mithin keine schleunige Hülfe des Nachbarn zu hoffen; auch dan fehlte es an Wasser, um die Flammen zu löschen. Der Unglückliche Supplicans sahe mit diesem sein beinahe neues Hauß sein vorräthiges Korn, Stroh, Heu und alle Mobilia in Asche verwandelt, nur das Vieh wurde einzig und allein mit vieler Mühe gerettet.

In dieser Unglücksvoller Lage findet unterthänigster Supplicans keinen anderen Zufluchtsort, als zu den Füßen seines gnädigst Huldreichsten Landesherrn sich in tiefster Ehrfurcht niederzuwerfen und unterthänigst bittend:

Oft sind in diesen Schreiben noch ausführliche Geschichten des Hofes enthalten, die Generationen zurückreichen kann oder die derzeitigen Schulden beschreiben. Dann folgten die konkreten Bitten um Bauholz, Dachpfannen und Befreiung von Abgaben, sowie ein Moratorium gegen seine Schuldner, die dann ihre Forderungen gegen den Bauern einige Jahre nicht einfordern konnten.

Die Bittschrift ging zunächst mit dem Regierungsbericht unter der Anrede „Durchlauchtigster Reichs-Fürst – Gnädiger Fürst und Herr“ nach Austerlitz oder Wien, wo die Grafen residierten. Der Ton aller dieser Suppliken war äußerst unterwürfig und für unsere Ohren höchst schwülstig. Aber es ging ja darum, vom Fürsten, seinem „mildesten“ Landesherren oder „weltbekannt gütigem Landesvater“ etwas zu bekommen.

Vom Fürsten Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg ist verbürgt, dass er sich alles durch seinen Sekretär oder Vorleser verlesen ließ. Der Fürst forderte seine Regierung in Rietberg auf, die Umstände persönlich in Augenschein zu nehmen und darüber Bericht abzustatten. Diese Berichte enthalten z. T. auch Angaben über den Zustand und die Größe der auf dem Hofe bestehenden anderen Gebäude. So kann mit den Regierungsberichten fast die gesamte Bautätigkeit in der Grafschaft Rietberg des 18. Jhd. dokumentiert werden. Auch Gebäude, die keine Inschrift tragen, sind so zu dokumentieren.

Die Regierung beauftragt daraufhin den Landrichter, den Hof zu besuchten und über die Lage einen Bericht abzugeben, meist mit dem Schwerpunkt auf den Gebäuden, den Schulden und der Wirtschaft des Bauern. Dabei wurden z. T. auch die Größen des alten und neu zu erbauenden Hauses in Gefachen angegeben, die Kosten des nötigen Bauholzes, der Zimmerlohn und die Anzahl der Dachpfannen. Außerdem machte er dann der Regierung einen Vorschlag, was zu bewilligen sei. Dieser Vorschlag ging wieder nach Wien und der Fürst erteilte aus fürstlicher Gnade ein Rescript über die „Baubegnadigung“ und kündigte dies unter der Anrede „Wohledle hochgelehrte; Liebe Räte und Getreue!“ seiner Regierung in einem Begleitschreiben an und unterschrieb jede Baubegnadigung persönlich.

Nachdem dieses Schriftstück in Rietberg angekommen war, wurde der Untertan auf die Kanzlei beordert und ihm dieses Rescript vorgelesen und mit dem Vermerk über die Verkündigung versehen, und der Bau konnte beginnen.

Enthalten sind diese Vorgänge in den Berichten an die Regierung von 1705 – 1809 (1821) in 140 Aktenbänden mit ca. 70.000 Seiten. Außerdem kommen diese Meldungen über Brände und Hausbauten auch in den Rentrechnungen und Kanzleiprotokollen vor, so dass sich der Aufwand u. U. mehr als verdoppelt. Diese Berichte sind für die Geschichte der Grafschaft deshalb noch nicht benutzt worden, weil bei undatierten Gebäuden die Feststellung des Zeitpunktes nicht möglich war. Außerdem sind die zu einem „Fall“ gehörigen Papiere oft an 3-4 Stellen in zwei verschiedenen Aktenbänden verteilt zu finden. Der Aufwand war also zu hoch. Derzeit werden alle Bittschriften an die Grafen von Rietberg aus der Zeit 1705-1821 in einer Computerdatei erfasst, um sie benutzbar zu machen. Aus diesen Angaben werden sämtliche Brände, Sturm- und Hagelschäden und Hausbauten hervorgehen, die in diesen Hundert Jahren in der Grafschaft Rietberg dem Grafen vorgetragen wurden.

Devotessen in der Grafschaft Rietberg

Schon Gräfin Catharina Sabina war Mitglied des 3. Ordens von hl. Franziskus und wird diese Form der Ordenszugehörigkeit sicher auch gefördert haben. Nach dem Tode der Kaiserin Maria Theresia begann ihr Sohn Kaiser Joseph in Österreich mit den durch die Aufklärung geprägten Kirchenreformen, die nach seinem Tode teilweise wieder zurückgenommen wurden und unter dem Namen "Josephinismus" in die Geschichtsschreibung eingingen.

Auch Wenzel Anton war ein "Aufklärer" der fast ausschließlich rational dachte und von seinen persönlichen Fähigkeiten überaus überzeugt war. Deshalb griff er unter Kaiser Joseph - übrigens auf Anregung von Dechant Schürkmann mit deutlich antifranziskanischer Tendenz! - auch in die Rechte der Kirche ein um eine höhere Effektivität seiner Finanzen zu erreichen. Für Untertanen war es jedenfalls besser das Bruttosozialprodukt zu steigern, als lange zu beten oder sonstwie der Arbeit fern zu bleiben. Die Ermahnung zur Arbeitsamkeit in Punkt 6 hat zwar eine Wurzel in der Aufklärung, nicht jedoch in der Bibel, wo die Geschichte von Martha und Maria klar macht, worauf es Jesus ankam.

Die tief im Volk verwurzelte franziskanische Frömmigkeit scheint aber alle Stürme auch der französischen Revolution überwunden zu haben, denn noch 1806 wird vom Eintritt von Frauen in den 3. Orden berichtet. Leider ließ sich bisher kein Mitgliedsbuch für diese Devotessen ermitteln. Dieser Stand war wohl für unverheiratete Frauen, die einzige Möglichkeit sich in gewisser Art zu emanzipieren. Devotessen haben nicht nur als Hebammen, sondern auch in Handarbeitsfragen führende Stellungen eingenommen und waren z. T. bei Gericht "Sachverständige".

Landsherrliche Verordnung die Kloppen betreffend

Wir, Wenzel Anton etc.

Entbiethen den sämtlichen Unterthanen unserer Grafschaft Rietberg unsre Landesherrliche Huld und alles Gute zuvor.

Da die Erfahrung häufig bisher gelehret hat, daß verschiedene auf dem Erben geborenen weiblichen Personen unbedachtsamerweise vielmals auch in der zartesten Jugend in den Orden der Tertiarer eintretten, sogenannte Kloppinnen werden ihr Gewissen mit unauflöslichen Gelübden beschweren, sich dadurch einer zu späten Reue, den Erben und Stätten aber, von welchem sie ernähret und erhalten werden, und deren sie ihre Handarbeit zu leisten schuldig sind, viele Ungelegenheiten, unnöthige; Kosten und Aufwand zuziehen, durch das bis zur Ausschweifung ausgedehnte tägliche Kirchen gehen die zeit unnöthiger weise versplittern, sich der Arbeit Entwöhnen, dahingegen dem Müßiggang und allen daher entstehenden Übeln, sonderlich dem Brandwein und Koffe trinken sich ergeben, und dabey aus einem Triebe der Eitelkeit nach allerhand Vorzügen vor den übrigen Personen ihres Geschlechts und Standes streben. So erheischt unsere Landesherrliche Pflicht, daß wir diejene zu einem offenbaren Mißbrauch ausgeartete Gewohnheit des Kloppenwerdens, in die Schranken, welche durch die Religion, Vernunft und Ehrbarkeit ausgezeichnet sind, zurück zu setzen bewegt seyn müssen.

Wir verordnen derohalben

1mo, daß von nun an keine weibliche Person vor dem zurückgelegten 40ten Jahre ihres Alters den Kloppenstand erwählen, noch in demselben die Profession ablegen oder sich durch einige Gelübde verbindlich machen soll, wo fern sie nicht zu vorders duch sechs Wochen von dem Seelsorger ihres Kirchsprengels über ihren Beruf hinlänlich geprüfet, und darüber ein schriftliches Zeugnis bey meiner Regierung darbringen, und von derselben die schriftliche Erlaubniß den Kloppenstand antretten zu können, erhalten haben wird.

Jene Personen welche dawider handeln und ohne diese allhier gesetzmäßig festgesetzte Erfordernisse den Kloppenstand von nun an ergreiffen werden, sollen aller Wohlthaten, welche sie von dem Erbe zu genießen haben, ein für allemal beraubet, und sie ihrer eigenen Versorgung und Schicksal überlassen seyn.

2do Jene welche unter den oben festgesetzten bedingungen die schriftliche Erlaubnis zu dem Kloppenstande bey unserer Regierung werden ausgewirket haben, sollen ohne einzigen Gepräng und ohne beyseyn anderer Personen, sonderlich ohne Begleitung der Brautjungfern zur Kirche gehen, daselbst ihre Einkleidung empfangen, und die Profession ablegen.

Jedoch soll dieser niemal an Sam- und Feyertägen wo die Kirche voller Leute ist, geschehen, sondern bloß an Werktagen, und zwar zu einer Zeit wo entweder der Gottesdienst noch nicht angefangen oder schon geendiget ist.

3tio Weil die Kloppinnen durch Ablegung der Gelübde und durch die Bekenntniß zu den Regeln des dritten Ordens, der Hoffart und den Eitelkeiten der Welt gänzlich entsagen, und hingegen der Kristlichen Demuth sich zu befleissigen versprechen, so müssen sie dieser letzteren Tugend sich sonderlich ergeben, und alles was den Schein einer menschlichen Eitelkeit an sich hat und bloß dazu dienet um eines äußerlichen Vorzuges über andere Personen ihres Geschlechtes theilhaft zu werden, auf das Sorgfältigste vermeiden.

Wir verordnen und befehlen also hiermit daß die Kloppinen sich des tragens der Braut- oder Trauringe an den Fingern, enthalten, den Kopfputz und Schleyer, durch welchen sie sich als Kloppinen auszeichnen gewohnt waren, von nun an ablegen, und durch keine besondere oder schwarze Kleidungen sich von den übrigen Personen ihres Geschlechtes, die keine Tertiarerinnen sind mehr unterscheiden, sondern sich wie andre eheliche weltliche Weibspersonen tragen, und nicht den geringsten Vorzug vor denselben weder in noch außer der Kirche fordern, noch weniger die Benennung geistlicher Jungfrauen von anderen Personen verlangen, oder sich dieser Benennung gegen andere gebrauchen sollen.

4. Die Kloppinnen welche diesem Verbothe zuwider handeln, Braut oder Trauringe an ihren Fingeren tragen, sich durch einen besonderen Kopfputz, Schlepen oder schwarze Kleidung auszeichnen, sollen das erste mal durch die Untervögte nachdrücklich deswegen erinnert und zur Ablegung dieses unerlaubten Putzes und Unterscheidungszeichens öffentlich aufgefordert werden. Wenn Sie das zweyte und der Verletzung dieses Unseres Verbothes sich schuldig machen, so sollen sie dem Spott erdulden, daß die Untervögte ihnen öffentlich auf der Straßen die sogenannten geistlichen Braut- oder Trauringe, den Schlepen und Kopfputz und das sogennnte geistliche Schwarze Kleid abnehmen und Pfänden, auch nicht eher wieder zurückgeben, als bis sie die Pfändungsgeübhr a 24 Mariengroschen werden erlegt haben.

5to Der bisherige Mißbrauch daß die Kloppinnen,um deswegen daß sie dem sogenannten geistlichen Stand erwählt, sich einer eigenen Stube oder Kammer auf dem Erbe angemaßt haben, soll von nun an abgeschaffet, und die Klopinnen vor den übrigen Töchtern des Erbes weder in Betreff der Wohnung noch der Nahrung und Kleidung das geringste Vorrecht genießen, jedoch wollen wir daß die vorjezt wirklich vorhandenen Kloppinen, welche das vierzigste Jahr ihres Alters schon erreichet, und sich durch ihre fleissige Arbeit auf dem Erbe, und durch ihre gute Aufführung bisher hervorgethan haben, die bisher genossenen besondere Bewohnung eines eigenen Zimmers bis am Ende ihrer Tage behalten sollen, für die jüngern und künftig werdenden Kloppinnen hört dieser Unterschied gänzlich auf. Gleichwie

6to Die Kloppinnen Nahrung und Kleidung von den Höfen und Stätten genießen, so sind sie auch wie die anderen Töchter des Erbes schuldig dem Erbe oder Hofe dem sie zugehören, durch ihre Handarbeit zu dienen. Sie sollen sich des täglichen und fast beständigen Kirchenlaufens enthalten, auch sich der zum offenbaren Nachtheil des Erbes gereichenden häufigen Besuche ihrer sogenannten Mitbrüder gänzlich entschlagen, und dabey bedeuten daß die wahre Frömmigkeit einer Kloppinn darinnn bestehe daß sie Gott in der Einsamkeit, in der Stille des Herzens diene, sonderlich aber durch die genaue Erfüllung der Pflichten ihres angebohrnen Stande, durch fleißige Handarbeit, und Ausübung der Tugenden ihrem Eifer nach der Kristlichen Vollkommenheit an den Tag legen

7am Eine Kloppinn welche ihre Profession abgelegt und in den Stand der Tertiarerinnen auf eine unwiderrufliche Art eingetretten ist, kann keinen Brautschatz fordern, sondern dieser bleibet bey dem Erbe, welches hingegen schuldig ist, die Kloppinn gleich einer jeden anderen Tochter des Erbes mit Nahrung und Kleidung bis an ihr Ende zu versorgen.

Damit diese unsere Verordung zu jedermänniglichen Wissenschaft gelange, so wollen Wir daß solche von den Kanzeln der Pfarrkirchen unserer Grafschaft dem Volke bey dem öffentlichen Gottesdienst durch die Seelsorger vorgelesen und kund gemachet werden.

Wir hegen zugleich zu denselben das landesväterliche zutrauen, sie werden als würdige Seelsorger und Lehrer des Volkes sich ernstlich angelegen seyn lassen, dasselbe in den wesentlichen Pflichten des Kristenthums wohl zu unterrichten, und zu belehren, daß man sein Seelenheil durch Ausübung kristlicher Tugenden und einer tätigen Liebe des Nächsten auch in den weltlichen Stande bewirken könne, ohne nöthig zu haben sein Gewissen mittelst ablegung unnöthiger und weder von dem göttlichen Urheber der kristlichen Religion noch von der Heiligen Kirche jemal gebothener Gelübde zu bestriken.

Wien den 23 Julius 1784

Wenzel Anton

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