Das Heiratsprojekt mit der Erbgräfin von Rietberg

Räuberpistole - Diplomatisches Kabinettstück - glückliches Ende

Der Reichsvizekanzler Dominik Andreas Graf von Kaunitz war ein treusorgender Vater, der auch das Fortkommen seiner Kinder innerhalb des Aufstiegs des Hauses Kaunitz vom Mährischen Landadel zum Wiener Hofadel planmäßig zu fördern suchte. Neben seinen zahlreichen Verpflichtungen als Reichsvizekanzler fand er immer wieder die Zeit, sich um eine dem weiteren Aufstieg des Hauses Kaunitz fördernde Heirat seines Erben Maximilian Ulrich zu kümmern. Als erfahrener Diplomat zog er alle Register und suchte sich wichtige Verbündete in dieser Sache.

Dominik Andreas Graf von Kaunitz, Mezzotinto von G. Kneller nach Peter Schenck. Dargestellt als Ritter vom goldenen Vließ. Er wurde 1687 in den Orden aufgenommen. Von Dominik Andreas bis Fürst Ernst Christoph (+ 1797) gehörten alle Grafen dem illustren Orden an, der die Mitglieder noch enger mit dem Kaiserhaus verband. Seine herausragende diplomatische Tat war der Frieden von Rijswijk 1697. Mit Dominik Andreas begann der Aufstieg des Hauses Kaunitz.

Die erst zwei Monate nach dem Tode ihres Vaters am 4.8.1689 geborene Maria Ernestine Franziska von Ostfriesland wurde schon in der Wiege zur Erbgräfin und damit zum begehrten Heiratsobjekt. Außer ihrer Mutter waren zu ihren Lebzeiten von Seiten des Vaters nur noch zwei Tanten vorhanden. Bernhardine Sophie war Fürstäbtissin in Essen und Leopoldine, die in Holland mit dem Markgrafen Oswald van den Bergh verheiratet war. Beide Tanten haben wenig Einfluß auf das Leben ihrer Nichte gehabt und sie vermutlich nach 1699 nie wieder gesehen.

Zu Vormündern für die Erbgräfin wurden von Kaiser Leopold I. die Fürstbischöfe von Münster und Paderborn eingesetzt, die sich auch wirklich um das Schicksal ihres Mündels und die Grafschaft kümmerten und die Grafschaft rasch unter kaiserliche Sequestrationsverwaltung stellen ließen um dem Lehnsherren, dem Landgrafen von Hessen nicht zu ermöglichen das Lehen einzuziehen. Die Hessische Neubelehung erfolgte dann 1692 zu Händen ihrer Mutter. Trotzdem blieb das kaiserliche Sequester bis 1702 bestehen. Die Erbstreitigkeiten mit dem Hause Liechtenstein aus dem Berumer Vertrag von 1600 wurde nach langen Streit erst 1726 beigelegt.

Im Archiv des Altertumsvereins Paderborn befindet sich dieses Gemälde, das M. Ernestina als junges Mädchen im Jagdkostüm zeigt. Auf ihrer Hand hält sie einen jungen Falken, mit der anderen streichelt sie einen Hund.

Mutter, Johannette von Manderscheid Blankenheim zog mit ihren Töchtern nach Paderborn bzw. später nach Köln und Düsseldorf. Sie heiratete am 22. 12. 1692 in Paderborn in zweiter Ehe den Grafen Arnold Moritz Wilhelm von Bentheim-Steinfurt, geboren am 21.1.1663, + 15.1.1701. Aus dieser Ehe gingen mindestens 6 Kinder hervor, die Maria Ernestine Franzisca wohl nach 1699 nie wieder gesehen hat. Briefe mit Anna Caroline, der Stiftsdame in Thorn und Vreden finden sich aber im Archiv in Brünn.

Die Halbgeschwister der Maria Ernestine Franziska.

  1. *19.9.1693 Hermann Friedrich, + 29.11.1731 in Aachen
  2. *1694 Elisabeth
  3. *1696 Anna Karolina, + 9.1.1726, Stiftsdame in Thorn und Vreden
  4. *1697 Johann Wilhelm, + 1718
  5. *1698 Leopold Ludwig Franz, + 1751
  6. *6.1.1701 Anna Alexandrine, + 1717

Bereits 1694 wurden angeblich die Präliminar-Appunctation über die Heirat zwischen Maximilian Ulrich von Kaunitz und der Erbgräfin Maria Ernestine Franciska von Ostfriesland und Rietberg geschlossen. Wann Dominik Andreas die Mutter und die Tochter, die sich damals in Düsseldorf aufhielten, überhaupt kennen lernte, ist nicht bekannt. 1694 war Maria Ernestine Franciska die altadelige Reichs- und Erbgräfin aus dem Reich, wie man in Böhmen und Österreich die außerhalb der Erblande liegenden Teile des Heiligen Römischen Reiches bezeichnete, allerdings erst 5 Jahre alt!

Erst 1697 wurde dann die Heirat weiterbetrieben, als am 13. April die Interims-Eheberedung abgefaßt wurde, bevor die Heirat dann am 6. August 1699 in Sinzig tatsächlich kirchlich geschlossen, zum großen Bedauern der Braut, aber nicht gleich vollzogen wurde, denn ihr gefiel der Bräutigam "gar wohl"!

Wesentlich Beteiligte an dieser Ehe waren außer den Brautleuten und deren Eltern

Johann Wilhelm Kurfürst von der Pfalz und seine Frau Maria Medici

dessen Kanzler Franz Melchior Baron von Wieser

Maximilian Ulrichs Hofmeister Du Coudray

der Rietberger Drost von Mengersen

Diesen höchst interessanten Übergang der Grafschaft Rietberg an die Familie Kaunitz hat Alfred Eugen Ecker bereits 1982 in dem Buch "Maria Ernestine Franziska - Gräfin von Ostfriesland und Rietberg - Erbgräfin von Rietberg - Gräfin von Kaunitz - 1687 - 1758" eindrucksvoll dargestellt. Das ganze Verfahren der Eheanbahnung ist ein Hinweis darauf, daß vor Erfindung der Liebesheirat in erster Linie Versorgung erwartet wurde. Entsprechend sehen auch die Heiratsverträge aus. Für die beiden, die hier verheiratet wurden, war es ein Glücksfall, daß sie sich gefielen und eine lange und glückliche Ehe führten. Unter solchen Voraussetzungen war dies eher ungewöhnlich und die Ausnahme. Die Regel um diese Zeit war eher eine Ehe für die legitimen Nachkommen und Liebschaften nebenher, die man sich selbst nach seiner Neigung aussuchen konnte.

Die Chronologie des Heiratsprojektes in Stichworten:

1694 Präliminar-Appunctation

13.4.1697 Interims-Eheberedung. Maximilian Ulrich war zweimal in Düsseldorf, einmal aus Brüssel, einmal aus den Haag kommend.

17. 4. 1697 Geheimvertrag über die 1699 geschlossene Ehe der Maria Ernestine Gräfin von Rietberg mit Maximilian Graf von Kaunitz. Vertragspartner sind der Vater Graf Dominicus Andreas von Kaunitz unter Vermittlung des Kurfürsten Johann Wilhelm von der Pfalz und Graf Arnold Mauritz zu Bentheim-Tecklenburg und dessen Ehefrau Johannette von Manderscheid-Blankenheim, verwitwete Gräfin von Rietberg als Mutter. Der Mutter werden 30.000 Rtlr. oder 45.000 Gulden zugesagt.

25.7.1697 Brief Dominik Andreas in den Haag an Baron Wieser

29.12.1698 Die beiden Vormünder der Erbgräfin Maria Ernestine, die Bischöfe von Paderborn und Münster, setzten einen Unterhalt von 1000 Rtlr. jährlich fest, der 1700 mit 2000 Rtlr. ausgezahlt wird.

1699 schickt Max Ulrich Stoffe und Bänder aus Paris

27.6.1699 Ankunft Max Ulrichs in Düsseldof

1.7.1699 Reisebericht des Hofmeisters Du Coudray darin Empfang in Schloß Neuhaus durch den Drosten und an der Straße wartende Untertanen.

2.7.1699 Brief Max Ulrichs in Düsseldorf an seinen Vater. Besorgnis, daß Gräfin Johannette „keine Intentiones“ habe.

Juli 1699 Maria Ernestine Franziska „zog bei Hofe“ ein, wohnte aber noch bis Ende des Monats in Düsseldorf, wie auch Max Ulrich. Mutter und Stiefvater begaben sich kurz danach für längere Zeit nach Bentheim.

13.7.1699 Die Tante Leopoldine Gräfin zu den Berg, geb. v. Rietberg schickt eine Brief an Dominik Andreas: Zurückweisung der Heirat. Sie nennt eigene Heiratskandidaten.

13.7.1699 der Konkurrent Graf Salm besucht Maria Ernestine Franziska, obwohl er Hausverbot hat. Großer Eklat!

15.7.1699 Bericht des Hofmeisters du Coudray an Dominik Andreas

6.7.1699 Brief Max Ulrich an seinen Vater, seine Braut gibt jeden Tag neue Zeichen der Zuneigung. Die bestellten Kleider kommen nicht an.

18.7.1699 Brief Max Ulrich an seinen Vater. Er weist darauf hin, daß Ernestine am 4.August Geburtstag habe und die Heirat vorher nicht geschehen könnte. Graf von Salm, ein Rivale wollte Ernestine entführen. Madam Casarotti hat das aber verboten. Johannette soll 60.000 Rtlr. von Fürst Schwarzenberg geliehen bekommen, wenn sie Ernestine zu seiner Verfügung hält.

21.7.1699 Jülich, Brief Max Ulrich an seinen Vater. Überlegungen zur schnellen Heirat. Er hat Kleider für Ernestine in Paris bestellt und hofft, daß diese noch rechtzeitig kommen. Ernestine hat schon der Reise nach Wien zugestimmt.

25.7.1699 Düsseldorf, Brief Max Ulrich an seinen Vater: gestern hat der Graf Sinzendorf Maria Ernestine das Heiratsprojekt in allen Punkten vorgestellt. Sie war mit allem einverstanden.

27.6.1699 Maximilian Ulrich ist mit seinem Hofmeister und Begleitung in Düsseldorf eingetroffen. Zufällig war es die erste ihnen begegnende Kutsche, in der Johannette von Bentheim, die Mutter der Maria Ernestine Franziska saß. Nach der Begrüßung lud sie sofort den jungen Grafen und sein Gefolge in ihr Haus ein. Hofmeister Coudray war geschickt in den Geldzuweisungen an die Gouvernante und das Kammermädchen der jungen Braut und machte sich beliebt. In manchen Diskussionen mit der Mutter Johannette und deren 2. Gatten, dem Grafen Arnold von Bentheim-Steinfurt waren noch einige Widerstände zu überwinden, weil die Mutter die Heirat erst später stattfinden lassen wollte und auf förmlichen Heiratspakten vor der Ehe bestand.

29.7.1699 Jülich, Düsseldorf, Brief Max Ulrich an seinen Vater: Graf Sinzendorf ist am 26.7.zu Jülich angekommen. Auch Max Ulrich war wegen des Geburtstages des Churfürsten dort. Ernestine soll am Samstag zum Churfürsten nach Jülich kommen, damit sie von dort aus die Reise mit dem Hof fortsetzen kann. Der Kurfürst wird ihrer Mutter Johannette davon durch Kurier Mitteilung machen und die Vormünder durch die Post benachrichtigen. Johannette soll vom Churfürsten versichert werden, daß es nicht ihr Schade ist, wenn die Ehepakten nicht vor der Heirat gemacht werden und daß alles eingehalten wird was in den Praeliminaribus versprochen wurde.

2. Julihälfte Mit Einverständnis des Kurfürsten Jan Wellem verhandelt dessen Kanzler Baron von Wieser mit Max Ulrich über die Heirat. Ab Monatsende schaltet sich zur Unterstützung auch Graf Sinzendorf in die Gespräche ein. Mit Zustimmung der Braut sollte die Heirat unterwegs erfolgen, wenn sich der Hof von Jülich aus in die Pfalz begibt. Die Braut sollte dann nach Wien weiterreisen. DerKurfürst lud die Brautleute zur Reise von Jülich nach Heidelberg ein.

1.8.1699 Die Brautleute werden von Düsseldorf an den Hof in Jülich geholt.

6.8.1699 Der Jesuit Petrus Antonius de Alberti, Beichtvater des Kurfürsten Jan Wellem traut den Grafen Maximilian Ulrich von Kaunitz und die Erbgräfin Maria Ernestine Franziska von Ostfriesland und Rietberg gegen Abend in Sinzig. Neben dem Kurfürsten und seiner Familie und dem Hof nehmen Georg Graf von Manderscheid-Blankenheim und auch der Kanzler Wieser an der Trauung teil.Anna Maria Louisa von Medici, die Kurfürstin führt die Braut, der Kurfürst den Bräutigam. Die nicht anwesende Mutter wird unmittelbar nach der Trauung durch eine Brief informiert. 9.8.1699 Brief Max Ulrich an Vater: Weiterreise nach Koblenz und Mainz. Max Ulrich weiter in seiner Bildungsreise nach Brüssel, Paris und Italien, wo er zur Eröffung des Hl. Jahre eintreffen wollte.In Mainz weint die Braut bitterlich, weil die Ehe nicht sofort vollzogen wird. Die Braut reist ab Neuburg mit dem Schiff auf der Donau bis Wien, wo sie die Schwiegermutter in Empfang nimmt.

Der gesamte Brief Max Ulrichs über seine Heirat in Abschrift

Er ist gleichzeitig ein Zeugnis über die Deutschkenntnisse im Adel dieser Zeit.

11.8.1699 Kurfürst an Dominik Andreas

30.8.1699 Wütender Brief der Gräfin Johannette an Dominik Andreas, nachdem sie von der Heirat erfahren hat!

29.1.1700 Auf Befehl der Vormünder wird ein Wechsel über 3000 Rtlr. nach Wien geschickt um Juwelen für Maria Ernestine zu bezahlen In Rietberg entstanden wegen der „Nachfeiern“ beim Amtsgericht innerhalb 3 Tagen 164 Rtlr. Kosten.

15.7.1700 Rückkehr des Maximilian Ulrich aus Italien in Wien.

Der Bräutigam: Maximilian Ulrich von Kaunitz, 1679 - 1746

27.3.1679 Maximilian Ulrich wird in Wien geboren.

1697 Max Ulrich und sein Bruder Franz Karl gehen nach Holland und Brüssel und werden in der Nähe des Vaters ausgebildet der in Rijswyk als 1. Gesandter des Kaisers den Frieden aushandeln soll.

1698 Aufenhalt in Paris,1698 wir Maximilian Ulrich Mitglied im Reichshofrat und Kammerherr

6. 9. 1699 Heirat in Sinzig mit der 12jährigen Erbgräfin Maria Ernestine Franziska von Rietberg

1703 Maximilian Ulrich läd die Rietberger Lehnsleute am 30. 1703 auf den großen Saal zur Lehnserneurung ein

Bis 1709 Überfälle der Ungarn auf Ungarisch-Brod.

1724 Wahlbotschafter bei der Wahl Benedikt XIII. in Rom im April-Juni.

1720-1746 Am 5. Juli Ernennung zum Landeshauptmann in Mähren.

1730 Verkauf der Güter Neu-Kaunitz und Rarau

1737 Kauf der Herrschaft Wiese im Iglauer Kreis für 133.000 Gulden.

1738 Am 28.9.1738 übergibt Maximilian Ulrich die Regierung der Grafschaft Rietberg seinem Sohn Wenzel Anton.

1740 Kauf des Gutes Nezdenitz im Osten des Hradischer Kreises und von Krizanowitz.

1744 Aufnahme in den Orden vom goldenen Vließ

Am 10.9.1746 stirbt Graf Maximilian Ulrich in Brünn (von 16 Kindern überlebten die Eltern nur 3) Seine Regierungszeit war geprägt von den Schulden seines Vaters, die er langsam abtrug. Erst nachdem das Familienvermögen einigermaßen konsolidiert war, konnte sein Sohn Wenzel Anton Aufgaben für den Kaiserhof übernehmen, die viel Geld für die Repräsentation verschlagen. Auch die Gründung der Kirche in Neukaunitz und des Gymnasiums in Rietberg erfolgten erst kurz vor seinem Tode.

Maximilian Ulrich besaß eine umfangreiche eigene Bibliothek und statte die Bücher mit einem prächtigen Supralibros aus, daß auch sein Wappen zeigt.

Die Kinder:

Die Eheleute hatten von 1704-1723 13 Kinder, von denen nur 3 heirateten:

  1. Maria Johanna Franzska, *+ 1704
  2. Dominika Josepha, * 1705 - + 1736
  3. Maria Josepha Agnes, *18.5.1706 - + 7.12.1726
  4. Maria Antonia Josefa Justine, * 13.6.1708 - 14.1.1778, heiratet J. Adam von Questenberg
  5. Johann Dominik, * 23. 2. 1709 - + 1751
  6. Wenzel Anton Dominik, * 2.2.1711 - 27.6.1794, Staatskanzler
  7. Maximilian Joseph, * 1712 - + 1736
  8. Franz Leopold Johann Wilhelm, * 1713 - + 1713
  9. Franz Thaddäus, * 1714 - + 1722
  10. Karl Joseph, * 26.12.1715 - + 29.3.1737
  11. Emmanuel Joseph, * 9.9.1713 - + 10.5.1727
  12. Ludwig Joseph, * 1720 - + 1727
  13. Maria Eleonore, * 1723 - + 1776, heiratet Rudolph von Palffy

Maria Ernestines Sorge für die Grafschaft

Maria Ernestine hat selten in die Regierung der Grafschaft eingegriffen, die sie ihrem Mann überließ. Sie beschränkte sich auf einzelne Projekte. Sicher ist ihr die Nepomuk-Verehrung in der Grafschaft zu verdanken. Auch die Stiftung der Kirche in Neukaunitz und des Gymnasiums wird sie sehr unterstützt haben, obwohl beide immer mit dem Namen ihres Sohnes Wenzel Anton verbunden werden. 1743 schenkte sie Reliqien nach Rietberg. So kamen diese beiden Reliqiare über Wien nach Rietberg.

Das nur 16,4 cm große Bergkristallreliqiar mit dem Zahn der hl. Appolonia, der Patronin der Zahnleidenden und der Zahnärzte, wird von einem Atlanten getragen und von der Figur der Caritas mit zwei Kindern und Lamm bekrönt. Auch dies eine Stiftung der Maria Ernestine.

Dieses Baumreliqiar stiftete ebenfalls "Maria Ernestine Franziska von Kaunitz, geboren Gräfin von Ostfriesland und Rietberg 1743", wie die vorn angebrachte Gravur belegt. Beide Reliqiare befinden sich heute in der Domschatzkammer des Diözesanmuseums in Paderborn.

Eine weitere wichtige Stiftung ist die Johannes-Nepomuk-Kapelle vor der Schloßeinfahrt. Maria Ernestine hat sich nicht nur um den Bau dieses Juwels gekümmert, sondern sie auch ausgestattet. Am 5. 3. 1748 schickte sie drei Kelche, und einen ganzen Samtornat mit Meßgewand, Kelchtüchern, Stolen und Manipeln sowie Vespermantel und Levitenröcke durch den Nürnberger Kaufmann Georg Wollrat mit dem Landkutscher Hans Georg Arnold nach Rietberg.

Die Kapelle wurde mit einer am Original angerührten Kopie des mirakulösen Marienbildes der Abtei St. Thomas ausgestattet, daß den Mittelpunkt eines Seitenaltar ausmachen sollte. Mitgeschickt wurde ein Kupferstich, damit der versilberne Rahmen nach diesem Muster angefertigt werden konnte. Ein ebenfalls mitgeschicktes Buch erzählte die Geschichte des Gnadenbildes. Bei dem Buch dürfte es sich um das 1731 erschienene "Mährisch. Kleinod, Mariens wunderthätiges Gnadenbildnis des Klosterstiftes Skt. Thomas in Brünn" handeln. Der Sage nach soll das Bild vom hl. Lukas gemalt worden sein. Kaiserin Helena soll es nach Konstantinopel gebracht haben.

Eine Modellstatue des Gnadenbildes "der hl. Berg" bei Olmütz sollte in Rietberg nach dem mitgelieferten Maßstab in größerem Format nachgeschnitz werden. Die kleine Modellstatue, so verfügt Maria Ernestine, soll in der Schloßkapelle aufgestellt werden. Ob es sich dabei um eine vollplastische Ausführung des abgebildeten Gnadenbild handeln könnte, muß noch geklärt werden.

Die Wohnung der Gräfin Maria Ernestine Franziska

Am 22.12.1749 ordnete Maria Ernestine Francisca ihren Besitz, dessen Verwaltung sie bereits seit dem Tode ihres Mannes ihrem einzigen Sohn Wenzel überlassen hatte. Ihre verschiedenen Testamente und Ergänzungen geben uns einen guten Einblick in ihre Wohnsituation. Sie hatte sowohl im Schloß Austerlitz als auch im Freihaus in Brünn jeweils vollständig vollständig eingerichtete Zimmer.

In Austerlitz war ihr gewöhnliches Zimmer mit rotem Damast, den sie selbst gesponnen hatte, ausgeschlagen. Es bestand aus einem Bett mit gelb seidenen Borten, Sofa, Sesseln und einer Stockuhr die auf dem Perpendikel einen weissen Stein hatte. Dort hing auch ein großer und zwei kleine Spiegel mit Glasrahmen, vermutlich böhmische Arbeiten. Zwei gläserne Lüster und einer von „Cristall de Roch“ vervollständigten die Ausstattung der Zimmer. Weiter waren noch ein Sofa von geflochtenem Rohr und 4 Lehnsessel und zwölf Sessel mit niedrigen Lehnen vorhanden. Alle Polster waren mit rotem Damast und rotseidenen Borten überzogen, ebenso waren die Wände gestaltet.

In ihrem Austerlitzer Cabinet stand ihr grau-damastenes Bett, Sessel und Sofa von grauen Plüsch-Samt.

Die zwei kleinen Zimmer haben „Niederländer Spallier“. Eine Stockuhr, die zwei Monate nicht aufgezogen werden mußte und eine, die 8 Tage lief, standen ebenfalls in den Räumen.

In Brünn hatten ihre drei Zimmer ebenfalls niederländische Tapeten (Spalliere). In einem Zimmer standen große Figuren, das andere „war mit Gold eingetragen“ und das dritte hatte kleinere Figuren von Teniers und wurde als ihr Speisezimmer genutzt.

In Ihrem Schlafzimmer stand wieder ein großes rot-damastenes Bett mit goldenen Borten und passenden Tür- und Fenstervorhängen sowie Tischtuch. Ebenso war das Canape und die Sessel vom gleichen Damast. Die Stockuhr war mit Schildpatt eingelegt. Weiter waren ein roter und zwei Schwarze englische lackierte Kästen und ein roter englischer Schreibtisch vorhanden. „Zwey sauber gläserne Henck-Leuchter“, also Böhmische Klarglas-Lüster, erhellten die Zimmer. Im Vorzimmer standen die „gehörigen“ Canapes und Sessel. Auch das Speisezimmer war mit Stühlen und Sesseln ausgestattet.

Für Gäste standen zwei schöne rot-damastene Reise-Betten mit gelb seidenen Borten zur Verfügung. Eines davon hatte in Wien seine "Copert-Decke" also die Überdecke, verloren.

Zwei indianische Spanische Wände ermöglichten noch eine Abteilung der Zimmer in kleinere Einheiten.

Der "Hofstaat" um Maria Ernestine Franziska

Die verwitwete Gräfin Maria Ernestine hatte ihren eigenen kleinen Hofstaat. Eine Rechnung für 1757 führt auf:

  1. Aufwärter
  2. Koch
  3. Cammer Jungfrau
  4. Schreiber Thomas Haberecher
  5. Beschließerin
  6. Stubenmädchen Apollonia, Catharina Zirckin, und Elisabeth
  7. Extra Mensch Marina
  8. Silberwäscherin
  9. Küchenmensch
  10. Hausknecht Franz Pühler
  11. Tafeldecker(ab hier: Livree Bediente!
  12. Portier
  13. Lakai Paul Prechtel
  14. Lakai Andreas Rösner
  15. Lakai Joseph Eber
  16. Lakai Franz Scharff
  17. Heiducken: Joseph Schligat, Wenzel May,
  18. Kutscher Paul Moprpfil
  19. Vorreiter: Johann Witteck und Nicolas Sedlatpfek

Das Testament der Maria Ernestine Franziska

Das Testament läßt auch Einblicke in Maria Ernestines Charakter und Vorlieben zu. In dem am 22.12.1749 errichtetem Codizill zu ihrem Testament von 1742 ordnet sie aufgrund der geänderten Verhältnisse (ihr Mann und 2 Söhne waren inzwischen verstorben) an:

  1. daß gemäß ihrem seit einigen Jahren getanen Verspechen die Kirche des Hl. Antonius in Niemschitz von guten Materialien wieder aufgebaut wird und dazu der Universalerbe (Wenzel Anton) 1000 Gulden Rheinisch herzugeben hat. Sie bittet inständig den Besitzer der Herrschaft Austerlitz diesen Bau baldmöglichst zu bewerkstelligen.
  2. Den Bauern und armen Meiern der Grafschaft Rietberg und in den übrigen Herrlichkeiten sollen die bei ihrem Tode noch vorhandenen Rent-Reste, also die bis dahin nicht bezahlten Abgaben, nachgelassen werden. Sie stellt nochmals klar, wie der am 25.10.1746 mit ihrem Sohn Wenzel Anton getroffene Vertrag über die Verwaltung der Grafschaft Rietberg zu verstehen ist, damit dieser Punkt auch eingehalten wird.
  3. 16.500 Gulden werden unter ihre Töchter geteilt. Unter Punk 4 werden dazu noch besondere Klauseln erlassen, wenn eine der Töchter stirbt.
  4. Die beiden Töchter erben das Silber, insbesondere das sich unter dem Haussilber mit den Anfangsbuchstaben ihres Taufnamens M. und F. gekennzeichnete, daß ebenfalls nicht zum Fidei-Commiss gehört.
  5. Alle Mobilien, die Bibliothek, Garderobe usw., die sich unter ihren Schlüsseln befindet, erben ihre Töchter, wie sie es in einem besondern Verzeichnis vermerkt hat.
  6. Wenzel Anton, ihre Sohn, erbt zwei feine indianische Kästen mit ihren vergoldeten Füßen.
  7. Ihre goldene Credenz-Tassen, mit einem Messer, zwei Gabeln, einem Suppen- und einem Eierlöffel, einem Salzfaß bestehend, sollen für die Elisabethinerinnen verkauft werden, wenn diese sich schon in Brünn niedergelassen haben und sich der Krankenpflege widmen. Diese aus reinem Golde bestehenden Teile kann auch ihr Sohn Wenzel Anton mit 2.000 Gulden Rheinisch ablösen und den reinen Goldwert damit den Elisabetherinnen geben.
  8. Dem Enkel Franz Wenzel vererbt sie ihre brilliantene Egrette, die verkauft werden soll. Die Zinsen sind bis zur Volljährigkeit des Enkels dem erlösten Kapital zuzuschlagen.
  9. 200 Dukaten gehen zu ihrem Andenken an den Reichshofrat Graf Dominik von Wadstätten.
  10. Der Aufwärter Urban Bernhard erhält 200 Gulden.
  11. Der alte Koch Thomas Pöhacker erhält 100 Gulden.
  12. Die Elisabeth Schwartzhuberin soll 50 Gulden bekommen.
  13. der Invalidenkasse sind 50 Gulden auszuzahlen.
  14. Wird für den Fall, daß der letzte der Familie ein Mönch oder Religiose ist Vorkehrungen getroffen.
  15. Wird die Secundogenitur (der 2. Familienfideikommiss) nochmals präzise in seiner Erbfolge geordnet, „damit andurch auch der zweyte Stamme bey seiner Würde, Ansehen und in beständigen Flor auf Ewige Zeiten erhalten werde“.

Tod und Begräbnis der Gräfin Maria Ernestine Francisca 1758

Maria Ernestine Francisca überlebte ihren Mann um 15 Jahre und starb am 1.1.1758 in Brünn nach einer langwierigen auszehrenden Krankheit. Sie war die einzige, die noch tiefe Beziehungen zu ihrer Heimat, der Grafschaft Rietberg hatte, obwohl sie diese Grafschaft kaum gekannt hat.

Sie wurde zwei Tage später in der Gruft der Familie Kaunitz unter dem Hochaltar in der Dominikanerkirche St. Michael beigesetzt. Ihr Sohn Wenzel Anton hat die Todesnachricht am 4.1. nach Rietberg weitergegeben und am 15.1.1758 wurde im „ganzen Lande“ die Trauer angekündigt.

In ihrem Testament hat Maria Ernestine verfügt, daß ihr Herz in Rietberg begraben werden solle. Am 23. Januar 1758 urkundeten der Prior des Dominikanerklosters Fridericus Riedl, der Subprior P. Marianus Geisler, der k. u. k. Rat, Landrechts-Beisitzer und königliche Amts-Canzler Xaver von Waldstätten als von der verwitweten Maria Antonia Gräfin von Questenberg geb. von Kaunitz (Tocher der Verstorbenen) dazu eigens Beauftragter und der Aufwärter Urban Bernhardt, daß sie das Herz der Gräfin dem Rietbergischen Stadtpfarrer und Protonotarius Apostolicus Herrn Johann Christoph Schürkmann gemäß der Vollmacht der Frau Gräfin Maria Antonia am 23. Januar übergeben haben.

Das Gefäß mit dem Herzen der Gräfin war von Urban Bernhard dem Konvent übergeben worden und mit dem Konventssiegel und dem Siegel des Herrn von Waldstätten versiegelt worden.

Pastor Schürkmann kam mit der Herzkapsel der Landesmutter früh am 19. Februar in Rietberg an. Auch Weihbischof Graf Gondola fand sich in Rietberg ein. Das Herz wurde noch am gleichen Abend in der Franziskanerkirche auf einer Tumba ausgestellt. Neben der Tumba brannten an jeder Seite 24 weiße Kerzen. Die Altäre und die Kanzel waren von oben bis zum Fundament mit schwarzem Tuch verhängt worden. Auf jedem Altar brannten weiße Wachskerzen mit Wappen.

Morgens um 9 Uhr fuhr der Gevollmächtigte und die anderen Herren der Regierung in zwei Karossen zur Kirche. Weihbischof Graf Gondola feierte ein Requiem und danach wurde die Herzkapsel in der gräflichen Gruft unter der Franziskanerkirche beigesetzt.

Wenige Tage danach begann auch für Rietberg der 7jährige Krieg, der soviel Leid bringen sollte.

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