Fürst Wenzel Anton 1711-1794

Der Bildhauer Johann Baptist Hagenauer (*22.6.1732 in Straß, Pfarrei Ainring, + 9.9.1810 Wien) schuf 1781 ein Reliefportrait des Fürsten Wenzel Anton (Österr. Staatsarchiv), daß 1786 von J. Schmutzer großformatig (Platte 48x46 cm) gestochen wurde. Dieses Relief wurde auch zur Vorlage für einige andere kleinere Stiche z.B. von J. B. Mansfeld. .

Wenzel Antons Lebenslauf in Stichworten:

1711 Geburt in Wien, auf der Freyung 1, am 2. Februar, Taufe in der Schottenkirche am 3.2.

In der Schottenkirche, gegenüber dem Palais auf der Freiung wurden zahlreiche Kinder der Familie Kaunitz getauft.

1724 Papst Benedict XIII überträgt Wenzel Anton ein Kanonikat in Münster.

1726 Hofmeister Johan Friedrich von Schwanau unterrichtet.

1730 am 4.Dezember wurde ihm die Hofratsstelle zugesichert.

1731 Ankunft zum Studium in Leipzig am 19. Februar.

1732 Aufbruch zur Bildungsreise am 10. Juli.

1733 Ankuft in Rom am 26. Januar.

1734 Wenzel Anton kehrt am 13. Februar von seiner Bildungsreise zurück.

1735 Vereidung zum Wirklichen Geheimen Rat in der Burg zu Wien.

1736 Ehevertrag zur Heirat mit Maria Ernestine von Starhemberg 22. April.

1736 am 2. Mai traut in der Wiener Nuntiatur der Nuntius, Kardinal Domenico Passionei Wenzel Anton mit Maria Ernestine von Starhemberg. Trauzeugen waren Wenzel Liechtenstein, Johann Wilhelm Wurmbrand, Johann Adam Paar, und sein Schwager Johann Rosenberg.

1736 Erste Kontakte zu Friedrich Binder von Kriegelstein (* 1708, + 20.8.1782).

In der Schottenkirche, gegenüber dem Palais auf der Freiung wurden zahlreiche Kinder der Familie Kaunitz getauft.

1738 Übernahme der Regierung in der Grafschaft Rietberg.

1741 Kaunitz trifft in diplomatischer Mission in Turin am 28. März ein.

1743 Ernennung des Grafen Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg zum Obersthofmeister am Brüsseler Hof der Erzherzogin Maria Anna.

1744 Ernennung zum Wirklichen Geheimen Rat im Januar. Kaunitz verläßt Turin am 20. April. Ankunft in Brüssel am 17. Oktober.

1745 Ernennung zum bevollmächtigten Minister.

1746 am 25 Februar verläßt Kaunitz Brüssel. Besuch in Rietberg, wo ihn die Nachricht vom Tode des Vaters Max Ulrich am 10.9.1746 erreicht. Im gleichen Jahr tritt Friedrich Binder von Kriegelstein in die ständigen Dienste des Grafen ein.

1746 am 21.11.1746 schließt Maria Ernestine Franziska mit ihrem Sohn Wenzel Anton einen Vertrag über die Regierung in Rietberg. In diesem Jahr werden durch den Stallbedienten Wilhelm Ellmendorff Fohlen aus Rietberg nach Brünn gebracht und im Gegenzuge ein Hengst nach Rietberg gebracht. Wenzel Anton, der sich für den besten Reiter hielt, war also auch in der Pferdezucht aktiv.

1748 Kaunitz trifft am 18. März in Aachen zu den Friedensverhandlungen ein.

1749 Kaunitz verfaßt die Denkschrift über ein neues politisches System. Am 6. September stirbt seine Frau. Seine Schwester Maria Antonia v. Questenberg übernimmt die Erziehung der 6 Kinder nach dem Tode ihres Mannes 1752.

1750 im November trifft Wenzel Anton als Gesandter in Fontainbleu ein und befreundet sich mit der Marquise de Pompadur.

1752 auf Wunsch des Königs hält der (längst tätige!) Kaiserliche Botschafter Graf Wenzel Anton von Kaunitz-Rietberg am 17. September seinen öffentlichen Einzug in Paris. Kaiserin Maria Theresia bewilligte für diesen Einzug über 100.000 Taler! Der Einzug des Botschafters war so glanzvoll, daß noch über 100 Jahre später davon ein großer Druck gefertigt wurde, der den Zug mit einer unübersehbaren Menschenmenge über den Pont neuf zeigt.

1753 am 1. Januar verläßt Kaunitz Paris und trifft am 19. April in Wien ein.

1753 Kaunitz wird am 13. Mai zum Staatskanzer ernannt.

Kaunitz informierte sich immer sorgfältig. Welche Zeitungen er 1754 las, geht aus dieser Aufstellung hervor. (Archiv des Verfassers)

1755 Ausgestaltung des Saales in Austerlitz.

1756 am 29. August beginnt der Siebenjährige Krieg.

1757 Das Rietberger Archiv wird für 750 Rtlr. in Sicherheit gebracht. Die Rietberger Beamten verlassen die Stadt. Dechant Schürkmann übernimmt auf Bitten des Grafen die Verwaltung der Grafschaft.

1760 Maria Theresia billigt die von Kaunitz vorgeschlagene Organisation des Staatsrates.

1762 Ausgestaltung der Kapelle in Austerlitz.

1764 Nach der Königskrönung Josephs II. in Frankfurt wird Kaunitz am 3. April in den Reichsfürstenstand erhoben. Sein Titel: Fürst von Kaunitz, Reichsgraf zu Rittberg. Allerdings darf jeweils nur ein Mitglied der Familie den Fürstentitel führen und nicht wie bei den großen Familien (z. B. Liechtenstein) sämtliche Mitglieder der Familie.

Das kurz nach der Erhebung in den Fürstenstand von dem Florentiner Pietro Antonio Pazzi 1765 gestochene Portrait Wenzel Antons ist auch ein Zeichen seiner Bekanntheit in Italien. Dort konnten offenbar zahlreiche Kaunitz-Portraits verkauft werden. Wie im Leben seine Gesprächspartner, so schaut auch hier der Fürst den Betrachter nicht an.

1772 Maria Theresia gründet unter bestimmender Mitwirkung Wenzel Antons die Brüsseler Akademie der Wissenschaften; Kaunitz übernimmt das Protektorat über die auf seine Anregung hin geschaffene Akademie der bildenden Künste in Wien.

1792 Kaiser Franz II. entläßt Kaunitz auf seinen Wunsch hin aus allen Ämtern

Die Kinder

Mit seiner Frau Maria Ernestine Gräfin Starhemberg hatte Wenzel Anton während der dreizehnjährigen Ehe 7 Kinder:

1. Ernst Christoph, * 6.6.1737 in Wien, er wurde Nachfolger seines Vaters

2. Moritz Quirin, * 9.6.1738, + 31.3.1751

3. Dominik Andreas, * 2.6.1739, folgte seinem Bruder Ernst Christoph als Fürst

4. Maximilian Ulrich, * 28.3.1741, + 17.3.1754

5. Franz Wenzel, * 2.7.1742, + 19.12.1825, Generalfeldzeugmeister

6. Joseph Clemens, * 22.11.1743, + 4.2.1785 als Botschafter in Madrid

7. Maria Antoinette, * 16.5.1745, + 29.6.1769 als Gräfin Thürheim

Der Generalfeldzeugmeister Franz Wenzel und letzte Komtur der Kommende Mühlheim

Auf Bitten des Fürsten wurde Franz Wenzel 1769 in den Deutschen Orden aufgenommen. Er war von 1788-1809, also bis zur Aufhebung der Kommende Mühlheim/Westfalen deren letzter Komtur, reiste aber nur einmal im Jahr zur Entgegennahme der Rechnung an. Seine Stellung als Feldmarschalleutnant und Oberst eines kaiserlichen Infanterieregiments schien ihm allerdings wichtiger. 1794 mußte ihn der Deutschordensmeister mit scharfen Worten auf seine Amtspflichten hinweisen - allerdings vergeblich.

Er starb am 19.12.1825 als letzter der Familie des Fürsten im Mariahilfer Palais.

Das Bild Franz Wenzels aus der Sammlung des Verfassers scheint das einzige erhaltene Portrait des Namensgebers des Regiments Kaunitz zu sein. Es wurde von Christoph Jakob Wilhelm Carl Joachim Freiherr Haller von Hallerstein in Wien nach dem Leben gemalt, wie die Signatur beweist.

Joseph Clemens, Botschafter in Madrid

Der jüngste Sohn, der 1743 geborene Joseph Clemens, war Hofrat in der Staatskanzlei und danach von 1775-1777 Gesandter in Stockholm. In gleicher Funktion ging er 1777 nach St. Petersburg an den Zarenhof und zuletzt nach Madrid wo er von 1780 bis 1785 Botschafter war. Wegen seiner schlechten Gesundheit hat er mehrfach den Vater um Abberufung aus Madrid gebeten. Seine letzte dringende Bitte datiert vom 20. September, der sein Vater dann stattgab.

Am 20. Oktober 1784 verließ er den Hof in Madrid und begab sich nach Alicante, wo er am 24. Oktober ankam. Dort verstarb er nach seiner Einschiffung auf dem Schiff am 4. Februar 1785 um 7 Uhr auf der Höhe von Mallorca. Am 9. Februar kam seine Leiche in Barcelona an und wurde am 10. Februar in der Kathedrale von Barcelona feierlich bestattet.

Der Fürst erfuhr vom Tode seines Sohnes durch die Tatsache, daß der Kammerdiener Trauerkleidung herauslegte. Da die Worte Tod, sterben und Krankheit in Gegenwart des Fürsten nicht erwähnt werden durften, antwortete der Kammerdiener auf den fragenden Blick Wenzel Antons "Der Herr Botschafter ist nicht mehr anwesend."

Wenzel Antons privates Erscheinungsbild

"Kaunitz war von mittlerer Statur(1,70 m), mehr groß als klein, sehr muskulös und sehr hager, blond, das Teint weiß und so sparsam gefärbt, als es beym gänzlichn Entbehren der freyen Luft, und einer ausgiebigen Bewegung zu erwarten war. Er hatt eine nur wenig gewölbte Stirne, schöne blaue Augen, eine gebogene Nase und wohlproportionierten Mund, das Kinn stand etwas hervor alle Züge giengen ins Längliche, waren aber sehr bestimmt, und das Auge ausdrucksvoll, wenn es irgendeinen Gegenstand mit Antheil verfolgte, was aber selten geschah; denn er sah, wie Carl V. meist unbeweglich vor sich hin oder in die Höhe."

Der Engländer Wraxall erzählt, daß Kaunitz nicht den Eindruck einer eleganten oder graziösen Erscheinung gemacht habe. Seine Manieren seien steif gewesen, aber in ihnen habe etwas charakteristisches und Eigentümliches gelegen und weil dies Aufmerksamkeit abgenötigt habe, keineswegs abstoßend oder unangenehm gewesen sei.

Die Anekdoten, die den Fürsten in seinen Eigenheiten beschreiben, gehen alle in die gleiche Richtung: der Fürst war von sich überzeugt. Wenn auch nicht jede Einzelheit dieser Anekdoten historisch verbürgt ist, stimmt doch die Gesamttendenz völlig überein und ergibt daher ein plastisches Bild des Fürsten.

Die Toilette blieb lebenslang eine Hauptsache für den Fürsten. Selbst am Morgen, als er wußte, daß seine Monarchin Maria Theresia im Sterben liege, ließ er sich nicht abhalten in aller Ruhe Toilette zu machen, wobei besonders seine Haare aufs sorgfältigste behandelt wurden.

Die gleiche Sorgfalt ließ er seiner gesamten Umgebung zukommen. Strengste Symmetrie herrschten zwischen den Federn und Bleistiften die in völliger Parallelität liegen mußten. Währen des Diktierens entfernte er den Staub von Vasen, Rahmen und Kästen des Arbeitszimmers.

Kleidung

Während Wenzel Anton in jungen Jahren z.T. außerordentlich extravagate Kleidung trug, berichtet wird von einem rosa Anzug der einiges Aufsehen erregte, ging er in höherem Alter dazu über, immer nur schwarze Hose und Strümpfe mit goldenen Schnallen auf seinen ebenfalls schwarzen Schuhen zu tragen. Das kam seiner Grundgewohnheit der Gleichmäßigkeit am meisten entgegen.

Der Staatskanzler Kaunitz trug eine merkwürdige Perücke mit einer Masse von Locken, die, um jede Stirnfalte zu verdecken, in einem Zickzack über die Stirne lief. Um jede Seite gleichmäßig gepudert erscheinen zu lassen, pflegte er im Puderkabinett, einem mit Puderstaub gefüllten Zimmer, durch eine Reihe von Dienern, die ihm mit großen Fächern eine Wolke von Puder zuführten, einige mal auf und ab zu gehen,

Die Perücke wurde sofort nachgeahmt, wie überhaupt die Extravaganzen fürstlicher Personen gern kopiert wurden. Der junge Graf Perkes kopierte Kaunitz mit Perücke, Wagen, der Art die Pferde anzuschirren und Garderobe so umfassend, daß man ihn nur "der kleine Kaunitz" nannte.

Baron Fürst, der Botschafter Berlins am Kaiserhofe schreibt "Gleich im Anfang seiner Gewalt (als Staatskanzler) wollte sich Kaunitz auch über die Hofettikette hinwegsetzten. Mit der spanischen Tracht vereinigte er statt roter weiße Strümpfe. Er erschien mit Haarbeutel und einem gewaltigen Muff. Allenthalben begleitete ihn eine große Dogge, die er nur zum Hof nicht mitnahm.

Während er als Staatskanzler immer geschmackvoll gekleidet war, bei besonderer Gelegenheit selbst prächtig, aber nie reich oder gestickt. "En grande parure" mit Degen erschien er selbst bei Hofe nie.

Auf der Brust trug er stets den Orden vom goldenen Vließ mit Brillanten, wie der englische Tourist Wraxall erzählte. Er besaß daneben noch den von der Kaiserin anläßlich der Vermählung der Erzherzogin Christine mit Herzog Albert von Sachsen-Teschen verliehenen St. Stephansorden mit Brillanten, eine außerordentliche Ehre, die jedem anderen Untertanen nach den Aufwandsgesetzten untersagt war.

Kaunitz der Reiter

Durch das ganze Leben des Fürsten zieht sich sein Hang zu Pferden. Seine Reitbahn im Palais im Mariahilf hielt er für die Beste im Reich. Allgemein wurde seine Geschicklichkeit und die Gewandtheit des Fürsten anerkannt. Selbst im hohen Alter ritt er noch junge Hengste ein. Sein Grundsatz war, dem Pferd unbedingten Gehorsam beizubringen. Das Pferd hatte keinen eigenen Willen zu haben. In seiner Bibliothek war vermutlich die größte Bibliothek über Pferde in Europa versammelt.

Gern zeigte sich der Fürst zu Pferde. Auf seine Reitbahn hatte jedermann Zugang. Wenn der Fürst nicht krank war, ritt er fast täglich vor seinem Mittage (also am späteren Nachmittag!) zwei bis drei Pferde und ließ die Reitbahn im Winter mit vielen Argant'schen Lampen beleuchten. Daß er seine Stallmeister selbst unterrichtet und erzogen habe, das wußten viele Wiener bisher durch Tradition. Seit seinem Testament ist dies sogar ausdrücklich der Welt mitgeteilt.

Sprache

Kaunitz liebte alles französische und sprach von allen Sprachen Französisch am besten. Deutsch konnte er zwar gut, radebrechte es aber z.T. absichtlich um den "Petitmaitre" vom ersten Range zu machen. Latein, italienisch, tschechisch und englisch waren ihm ebenfalls vertraute Sprachen, das tschechische allerdings wohl am wenigsten.

Als Kaiser Joseph II. französisch als Amtssprache einführen wollte, weigerte sich der Fürst vollständig und teilte dies auch unmißverständlich dem Kaiser mit. So blieb auch dies aufgrund des Kaunitzschen Einspruchs nur eine Episode der Geschichte.

Arbeitsstil

Der Staatskanzler Kaunitz hatte ein großes Arbeits- und Schlafzimmer im Gebäude der Staatskanzlei in dem er nach dem Aufwachen um neun Uhr im Bett frühstückte und ab 11 Uhr mit seinen Sekretären arbeitete. Um ein Uhr nahm Durchlaucht eine Tasse Schokolade. Er ließ sich alles vorlesen und diktierte, las und schrieb also selbst sehr wenig. Selbst Kaiser Joseph empfing er gelegentlich im Bett liegend. Bevor er schlafen ging, mußte ihm sein Mitternachtsvorleser "von seiner Gedanken Last entfernen".

Während der Arbeit mit den Sekretären lag er ganz steif und unbeweglich im Bett. Charakteristisch war auch sein Gruß: er grüßte fast nur durch ein Kopfnicken, die Freunde erhielten dabei ein väterliches Lächeln, alle Anderen die Miene des Protectors. Was er sprach und diktierte, sprach er ebenfalls höchst bedächtig und langsam. Auch durch für andere aufregende Dinge ließ er sich nie aus der Ruhe bringen. Er war ganz von der tiefen Überzeugung durchdrungen, daß ihm Gleichmut und unbesiegbare Standhaftigkeit gebühre, nichts verriet eine innere Bewegung bei ihm. Selbst Menschen die ihn viele Jahre begleitet haben, haben ihn, wie Ludwig XIV., nie lachen gesehen.

Trotz der französischen Zierlichkeit und Galanterie haßte Kaunitz in seiner Arbeit die Oberflächlichkeit. Er war ernster, tiefer und durchdringender Anstrengungen fähig und sein ganzes Leben war stetes Nachdenken und ernste Arbeit.

Über dem Eingang des heutigen Bundeskanzleramtes am Ballhausplatz weist die Inschrift noch auf den ehemaligen Bewohner Wenzel Anton von Kaunitz Rietberg hin, der für einige Jahrzehnte Dreh- und Angelpunkt europäischer Politik war. Auf Bestreben von Kaunitz wurde das Haus 1767 renoviert und den Bedürfnissen der von Kaunitz völlig neu geschaffenen zentralen Behörde angepaßt. Hier residierte später auch Fürst Metternich, der die Enkelin Wenzel Antons geheiratet hatte.

Ernährung und Gesundheit

Um sich die für dieses stete Nachdenken und die Arbeit die nötige Gleichmut zu verschaffen und zu erhalten, war seine gesamte Haushaltung und Ernährung auf Regelmäßigkeit eingerichtet.

Die ängstliche Sorge für seine Gesundheit stand dabei an oberster Stelle. Der Grund lag wohl darin begründet, daß von seinen zahlreichen Geschwistern nur 3 heiraten konnten, währen alle andern vorher gestorben waren. Die Kindersterblichkeit und natürlich auch die der Erwachsenen lag sehr hoch. Die Medizin steckte z.T. noch in den Kinderschuhen. Trotzdem ist seine Sorge um seine Gesundheit auffallend. In allen Berichten über Kaunitz tauchen Aspekte der Bemühungen um den Erhalt der Gesundheit auf.

So mußten alle Zutaten seiner Mahlzeiten, auch der Kaffee, genau gewogen werden. Vom Diner aß er nur wenig, später stets nur noch Hühnchen in Reis, danach nichts mehr. Luise Mühlbach (Pseudonym für Clara Mund geb. Müller) hat viele dieser Eigenheiten in ihrem in Prag 1860 erschienenen Roman "Kaiser Leopold und seine Zeit" ausführlich und anschaulich geschildert. Eine erheiternde Lektüre!

Frische Luft war dem Fürsten ein Angstmacher. Sowohl seine Fenster als auch sein Kutschen blieben ständig völlig geschlossen. Wärme und Kälte regulierte er mit übereinandergezogenen schwarzen Seidenmänteln. Je nach Temperatur 1-9 Mäntel! Die Hände steckte er in einen Muff. In jedem Zimmer hing ein Thermometer, auch die Reitbahn wurde beheizt!

Sein Leibarzt war ein wichtiger Mann in seinem Leben, den er sich sorgfältig auswählte.

Maximilian Stoll, * 12. 10. 1742, + 23. 5. 1788 Wien, K.K. Rath und Professor in Wien. Kupferstich von E. Henne mit der Unterschrift: Wünscht Ärzten seine Kunst und Königen sein Herz.

Leibarzt von W. A. Fürst Kaunitz und E. G. Freiherr von Laudon. Wegweisend in der Wiener medizinischen Lehrmethode, zu deren Weltruf er wesentlich beitrug. Auf seinem Krankheitsbegriff, den er in seinem Werk "Ratio medendi" (7 Bände, 1788-94) aufgrund von Krankengeschichten und Obduktionsbefunden festlegte, bauten J. Skoda und C. Freiherr von Rokitansky auf.

Gesellschaftlicher Umgang

Kaunitz machte ein großes Haus in Wien, aber die Gesellschaft um ihn herum interessierte ihn in keiner Weise. Regelmäßig war bei ihm offene Tafel, früher zu zwölf, später zu 18 Couverts. Kaunitz pflegte seine Einladungen aber erst am gleichen Tage und zwar sehr spät zwischen 10 und 11 Uhr zu schicken, wo die meisten schon anderweitige Verpflichtungen eingegangen waren. Deshalb waren an seiner Tafel manchmal nur wenige Plätze besetzt. Diese Diners im Hause Kaunitz wurden um 4 ja manchmal sogar erst um 7 Uhr angesetzt, weil Durchlaucht erst um 9 Uhr aufzuwachen geruhten. Die Tafel war mit vielen Delikatessen bestückt. Der Engländer Wraxall rühmte vor allem die köstlichen Trüffeln, die aus Turin bezogen wurden. Wenzel Anton machte nie Höflichkeitsbesuche und erschien sehr selten zu Festen.

Swinburne, ein weiterer englischer Tourist rühmte die dem Fürsten besonders reservierten Desserts, von denen die Gäste aber nichts anzurühren hatten. Swinburne war eine ausdrückliche Warnung zugegangen, von diesem Backwerk und dergleichen nichts zu kosten. Da er dieses Verbot aber nicht achtete, hat ihn der Fürst dafür ganz ernstlich für mehrere Tage "boudirt".

Den Haushalt in Wien führte zunächst die in Wien unbeliebte Schwester des Fürsten Maria Antonia Gräfin von Questenberg, und nach deren Tode die junge verwitwete Gräfin Clary, die auch sehr gut englisch verstand, wie die meisten Damen der Wiener ersten Gesellschaft. Sie machte auch die Honneurs.

Genauso offen wie seine Mittagstafel war auch die Abendgesellschaft, in der Konversation gemacht und Karten gespielt wurde. Der Fürst selbst spielte Billard, aber nie Karten. Bei diesen Abendgesellschaften konnte jeder (aus der Gesellschaft!) kommen und gehen wie es ihm beliebte. Er empfing seine Gäste nie selbst, ließ ihnen aber alle Freiheiten. Regelmäßig um 11 Uhr, selbst wenn Kaiser Joseph da war, ging Kaunitz schlafen.

Ging der Fürst auf Einladung zur Tafel außer Haus, so ließ er sich von seinem Koch die Speisen, Wein, Brot sogar das Wasser bringen. Alle unterwarfen sich diesem Bedingungen, sonst wäre der Fürst nicht erschienen.

Zahnhygiene

Swinburn erzählt über die Mund- und Zahnpflege des Fürsten, daß er nach jeder Mahlzeit den Mundreinigungsapparat aus der Tasche zog und vor aller Augen längere Zeit mit dem reichhaltigen Instrumentarium und den verschiedenen Spiegeln in seinem Mund herumhantierte. Als Kaunitz diese Operationen auch einmal vor dem französischem Botschafter, Baron Breuil anfangen wollte, stand dieser auf und sagte zu seinen Gästen "Lovons nous, le Prince veut etre seul." Darauf unterblieb das öffentliche Reinigen seiner Zähne, und er speiste nie wieder auswärts.

Wenzel Anton und die Kirche

Eines der spannendsten Kapitel der Person des Fürsten ist sein Verhältnis zur Kirche. Zu Dogmatischen Fragen scheint er nie Stellung bezogen zu haben, schon gar keine abweichenden Stellungnahmen. Aber in vielen "Kirchenverwaltungsfragen" war er völlig anderer Meinung als der Papst, die Jesuiten, die Äbte der Klöster und als Kaiserin Maria Theresia. Über allem schwebte sicher die Meinung des von der Aufklärung geprägten Fürsten, daß er (der Staat, er selbst) es besser geregelt hätte. Er hielt sich an alle Regeln (z.B. die Osterbeichte, für die er einmal sogar der Kaiserin Maria Theresia einen schriftlichen Nachweis vorlegte) aber auch nicht mehr. Vehse berichtet von der Merkwürdigkeit, daß seine Sonntagsmesse, die er in seinem Hause hörte, immer nur 10 Minuten gedauert hätte. Selbst wenn dies etwas übertrieben war, so ist doch davon auszugehen, daß die Messe sehr kurz war.

Unsere heutige Vorstellung von Trennung von Kirche und Staat war noch nicht vollzogen. Der Kaiser des Heiligen Römischen Reiches war quasi selbst eine kirchliche Institution, "von Gottes Gnaden".

Kaunitz hohe Meinung von sich selbst hat sicher dazu geführt, daß er fast immer der Ansicht war, daß er selbst die Kirchenverwaltung besser (und natürlich besser zum Nutzen der Krone und nicht der Kirche) geregelt hätte. Die Kirche mit ihrem altmodischen Glauben, das Lob Gottes hätte einen eigenen Wert (wie ihn z. B. die Benediktiner lebten), war ja nicht in der Lage in Kosten/Nutzenrelationen für die Krone zu denken. Solange Maria Theresia noch lebte, waren dies Gedankenübungen, die allerdings von Kaiser Josef in dessen kurze Regierung dann mit der 2. Säkularisierung nach der Reformation umfangreich und z.T. sogar gegen den Willen des Fürsten Kaunitz durchgesetzt wurde. Kaunitz hatte immer auch die rechtsstaatlichen Grundlagen des Staates berücksichtigt. Joseph II. legte sich diese zusätzliche Rücksicht z.T. nicht auf. Nach dem Tode Joseph II. verfaßte Kaunitz ein ziemlich vernichtendes Urteil über die Amtsführung des verstorbenen Kaisers, in dem man seine Erleichterung über dessen Tod deutlich spüren konnte.

Wenzel Antons Verhältnis zur Musik und Musikern

Christoph Willibald Gluck (1714-1787), also ein Zeitgenosse Wenzels Antons, war Erneuerer der Deutschen Oper und wurde vom Kaiserhof unter Maria Theresia häufiger mit Auftragskompositionen geehrt. Überdies war Wien natürlich auch damals schon eine der für Musiker interessantesten Städte.

Eine nette Anekdote überliefert uns Swinburne und verlegt die Geschichte in das Innsbruck von 1764. Dort liefen die Vorbereitungen für die Hochzeitsoper für Erzherzog Leopold. Kaunitz erkundigte sich nach dem Stand der Vorbereitungen und Gluck versicherte ihm, daß "Schauspieler, Sänger und Dekorationen alles in der Vollkommenheit seinen". "Gut", meinte der Fürst "lassen sie die Oper gleich einmal aufführen!" "Wie!" rief Gluck aus, "ohne Auditiorium?" "Messieur Gluck, bedenken Sie, daß die Qualität mehr gilt als die Quantität; ich allein bin die zuhörende Versammlung!" Kaunitz hat dies später mit großem Triumph selbst erzählt.

Ranieri de Calsabigi (1714-1795), ebenfalls ein Zeitgenosse, war zwischen 1761 und 1772 nach Wien gekommen und arbeitete dann eng mit Gluck zusammen. Er schrieb u.v.a. das Libretto zur Oper Orfeo ed Euridice. Seine Werke wurden u.a. 1774 in einer Zweibändigen Ausgabe unter dem Titel "Poesie" in Livorno herausgebracht und Wenzel Anton gewidmet.

Die Bibliothek

1785 stellte Kaunitz den freisinningen ehemaligen Schreyernschen Benediktinernovizen Johann Pezzl (1756-1823) als Vorleser und Bibliothekar ein. 1791 wechselte dieser in die Hofchiffrierkanzlei. Weitere Vorleser, Sekretäre und vermutlich auch Bibliothekare waren Harrer, Tassara, Hurez, Raidt, Ribini und Malter. Sein Sekretär Wenzel Helm machte 1821-1822 noch ein Forderung an den Enkel Aloys geltend.

Wenzel Anton trug eine umfangreiche Bibliothek in seinem Mariahilfer Palais zusammen. Im Bibliothekssaal las er auch allein die Werke, die von der Zensur verboten wurden. Die Bibliothek ist angeblich (in Teilen?) noch in Austerlitz vorhanden.

Alle Bücher trugen dieses prächtige Suprlibros

Nach dem gegen den Enkel Wenzel Anton, den Fürsten Aloys von Kaunitz-Rietberg-Questenberg geführten Prozess verkaufte dieser 1823 in öffentlicher Auktion eine Bibliothek, weil er Geld brauchte. Wahrscheinlich wurden in dieser Auktion auch die Bücher seines Großvaters Wenzel Anton verkauft. Im Antiquariatshandel tauchen immer wieder Exemplare aus der Bibliothek Kaunitz auf.

Das Erasmushaus in Basel bot 2001 an: Les Odes Pythiques de Pindare, Traduites avec des remarques par M. Chabanon. Paris, Lacombe, 1772. 8vo. 63, 347 Seiten. Kalbslederband d. Z. mit dem Wappensupralibrum des Fürsten Wenzel-Anton von Kaunitz-Rittberg. Außerdem: Robert James, Dictionaire universel de medecine, de chirurgie, de anatomie, de chymie, de pharmacie, de botanique, & les progres de la medecine. Paris 1746-1748, 6 Bände. Mit Wappensupralibrum des Fürsten.

"Die Beförderung der schönen Künste in einem Staat ist ein wichtiger Gegenstand der Sorgfalt weiser Regenten" (Fürst Kaunitz)

Kaunitz als Förderer und Mäzen der Künste

In Antwerpen fand Kaunitz besonderen Gefallen an der Malerei Rubens’. Der dort grundgelegte Eindruck führte 1776 und 1777 zu Empfehlungen an die Kaiserin, Rubensgemälde für die Kaiserliche Sammlung anzukaufen. Kaunitz nahm reges Interesse an der Neuaufstellung der Gemäldegalerie im Belvedere. Groß war auch sein Anteil an der Ausgestaltung des Schönbrunner Schloßparkes. Neben Herzog Albert von Sachsen-Teschen bildet er den Mittelpunkt des kunstsinnigen Adels in Wien und sammelte auch selbst Kunst in großem Stil. Noch im Jahre 1800 listete eine Beschreibung des Palais einen Bestand von 2000 Bildern auf.

Einen besonderen Schwerpunkt bildet sein Interesse an der Graphik. Alle bedeutenden Stecher waren mit Blättern in seiner Sammlung vertreten. Allein 82 Holzschnitte von Dürer waren in der Nachlaßauktion nach dem Tode des Fürsten vertreten.

 

Mit Johann Winkelmanns "Geschichte der Kunst des Altertums" begann die Kunstgeschichte. Das grundlegende Werk wurde dem Protektor Wenzel Anton gewidmet.

Kaunitz unterstützte die Gründung einer eigenen Kupferstecherakademie in Wien am 1.7.1766 und übernimmt das Protektorat. Die Statuten sind wesentlich vom Fürsten mitbestimmt. Seit dem 28.4.1770 war er auch noch Protektor der bekannten Graveur- und Bossierschule.

1784 widmete ihm der italienische Kupferstecher Carlo Antonio Porporati (Volvera 1741-1816 Turin), der durch seine unübertroffenen Mezotintobildnisse bekannt war, ein Blatt mit dem Titel "Eminie et le Berger".

Auch an der zwischen 1770 und 1773 neu organisierten Akademie der vereinigten bildenden Künste war Kaunitz maßgeblich beteiligt. Auch hier übernahm er das Protektorat.

Sammlungen

Die Jagdkammer der Reichsgrafen R v. Kaunitz wurde 1935 und 1936 durch die Galerie Fischer (Luzern u. Zürich) versteigert. Ein 2bändiger Katalog ist dazu herausgebracht worden.

Die Bildergalerie die Fürst Wenzel mit großem Aufwand in ganz Europa zusammengetragen hatte, wurde am 1.3.1820 und 1829 unter seinem Enkel Alois im Kaunitzschen Stadtpalais in der Dorotheergasse versteigert.

Eine ganze Anzahl antiker Kaiser- und Portraitbüsten ist in die Münchener Glyptothek gelangt.

Bilder des Fürsten Wenzel

Als bedeutendster Fürst aus dem Hause Kaunitz-Rietberg ist Wenzel Anton häufig auf Gemälden und Kupferstichen dargestellt worden. Kupferstiche sind immer ein Indiz für Popularität, denn sie kamen breiten Käuferschichten entgegen und kosteten nur den Bruchteil eines Gemäldes. Das älteste bekannte Mezzotinto des damaligen Grafen Wenzel Anton schuf J. G. Haid nach einem Gemälde des Martin de Meytens im Jahre 1755.

Von allen Titeln die Wenzel Anton auf sich vereinigte, fehlt nur noch der erst 1764 verliehene Fürstentitel. Während die Herrschaft Mellrich noch tatsächlich in seinem Besitz war, waren die Herrschaften Esens, Stedesdorf und Wittmund schon von seinem großen Widersacher Friedrich II. von Preußen 1744 occupiert worden.

Dargestellt als Ritter vom Goldenen Vließ mit Ordenstracht und Kollane. Hinter ihm ein Globus mit den Orten seiner Wirksamkeit: Aachen, Brüssel, Paris, Turin und Wien. Rechts in der Wand, unter sich öffnenden Wolken zwei Vögelchen, darüber unter der Verkröpfung "PELLIT CANDORE TENEBRAS".

Der Bildhauer Johann Baptist Hagenauer (22.6.1732 in Straß, Pfarrei Ainring, + 9.9.1810 Wien) schuf 1781 ein Reliefportrait des Fürsten Wenzel Anton (Österr. Staatsarchiv), daß 1786 von J. Schmutzer großformatig gestochen wurde. Dieses Relief war gleichzeitig aber noch Vorlage für einiger andere kleinere Stiche z.B. von J. B. Mansfeld usw. Auf einem Kupferstich von L. Rados, der Wenzel Anton in einer Ritterrüstung(!) zeigt, ist der von Hagenauer geformte Kopf quasi aufgepfropft. Dieser seltsame Stich ist für den italienischen Markt produziert worden und trotz einer gewissen Komik doch ein Beleg für die Popularität des Fürsten in Europa. Er trägt die Unterschrift "Venceslao Antonio Principe di Kautnitz di Rietberg &c. Cavato da un ritratto di Famiglia in Vienna.

Unterberger schuf auf einem Mezzotinto eine Apotheose der Unsterblichkeit des Fürsten. Sie zeigt die Allegorie der Unsterblichkeit, die Büste des Fürsten mit Lorbeer bekränzend, Austria mit der Städtekrone in der Hand ein Schild mit dem Bildnis des Markgrafen Leopold in Rüstung samt Wappen, ein alter Mann als Symbolfigur der Wissenschaften mit Äskulapstab samt Schlange (Medizin), Waage der Gerichtigkeit (Justiz) usw.

Insgesamt zählt das Kupferstichverzeichnis mit Bildnissen von Wenzel Anton 27 Blätter auf, während mir von seinem Vater Max Ulrich bis heute kein einziger Kupferstich bekannt geworden ist.

Auch das Jahrbuch der Preussisch-Brandenburgischen Staatengeschichte, Teil 7, Berlin 1796 enthält einen Kupferstich von Wenzel Anton und würdigt damit den großen Gegenspieler Friedrich II.

Der Tod Wenzel Antons

Nachdem Wenzel Anton immer mehre sein Gehör eingebüßt hatte und 1792 auch als Staatskanzler zurückgetreten war, wurde er im Mai 1794 schwach, traurig und niedergeschlagen. "Ich fühle", sagte er zu seinem Sohn, "daß ich gehen muß, tröste, ermutige mich." Im Juni verfiel er immer mehr und so drängten Fürst Starhemberg und sein Sohn Ernst Christoph Dr. Störk, den alten Fürsten zu mahnen, alle notwendigen Verfügungen zu treffen. "Sie sprechen mir also das Leben ab?" erwiderte Kaunitz. Dr. Störk darauf "Nein, die Vorsicht tötet nicht, aber sie bewahrt vor vielen Übeln." "Der Mensch bringt mich um." War der Kommentar des Fürsten, trotzdem ließ er Dr. Störk und den alten Hausarzt Glosset wiederkommen.

Am 12. Juni machte er sein Testament, empfing die Sakramente und ließ sich täglich von seinem Almosenier die Messe lesen. Darüber freuten sich besonders seine Schwiegertochter Leopoldine geb. Oettingen-Spielberg (die ihm nur wenige Wochen später in den Tod folgte) und deren Schwester, die Fürstin Eleonore Liechtenstein, die ihn immer für einen verkappten Freimaurer gehalten hatten.

Wenzel Anton erlebte mit Freude noch den Sieg seines Sohnes, des Generals Franz Wenzel, der sich schon bei Neerwinden ausgezeichnet hatte und jetzt auch noch den glänzenden Sieg bei Grandremy erfocht.

Abbé Sabatier hatte ein Gedicht "Der Traum" für den Fürsten geschrieben, aus dem der Fürst gerne einige Zeilen wiederholte.

Am 20.6.1794 erwähnen die Rietberger Regierungsberichte erstmals die schwere Krankheit des Fürsten, der "für keinen Vortrag empfänglich sind", so daß sein Sohn, der Erbgraf Ernst, vorläufige Beschlüsse erließ. Wie es scheint, hat der Fürst bis in diese Zeit alle Entscheidungen selbst getroffen. In Rietberg waren in allen Pfarr- und auch der Klosterkirche öffentliche Gebete und Bittgänge für die Erhaltung des Fürsten abgehalten und häufig besucht worden.

Aber seine Schwäche nahm zu und der alte Fürst schlief viel, lebte nur von Bouillon und am 19. Juni mußte ihm der Propst von Mariahilf die letzte Ölung reichen. Wenzel Anton war immer bei vollem Bewußtsein und wußte daß er sterben mußte. Seine Söhne Ernst Christoph und Dominik Andreas blieben abwechselnd bei ihm bis er am Freitag den 27 Juni 1794, um 7 Uhr und 4 Minuten am Tage nach der Schlacht bei Fleurus, ruhig starb.

Durch 54 Jahr hatte er der Krone und dem Haus Habsburg ehrlich, entschlossen und unabhängig gedient, 48 Jahre die Grafschft Rietberg "gnädig und mildreich beherrscht".

Er war der letzte Staatskanzler einer Kaiserin, die sich noch umfassend und unbedingt von Gottes Gnaden abhängig sah, er war Vorbereiter des Untergangs seines eigenen Standes wider Willen und erlebte dies alles doch nicht, sondern überließ die Durchführung den Folgen der französischen Revolution. Napoleon mit seinem von allem Überlegungen an göttliche Gesetze freien Überlegungen und des daraus resultierenden Größenwahns war die inhaltlich logische Fortsetzung seiner auf die Ratio einer Elite vertrauenden Zeit.

Die Wiener Zeitung Nr. 52 widmete dem Charakter des Fürsten einen Artikel, der auch von den Kölner und Paderborner Zeitungen abgedruckt wurde. Fürst Ernst Christoph hatte um Abdruck dieses Artikel auch in der Lippstädter Zeitung gebeten, weil aber deren Verfasser ein "Feind allen Österreichischen und also ein offenbarer Jacobiner" war, unterblieb dort eine Anfrage, zumal er satirisch schon einiges gegen das Wiener Ministerium geschrieben hatte.

Schlichtegrolls Nekrolog blieb bis zur Veröffentlichung von Hormayr 1807 der einzige Nachruf von Belang. Die kühle Persönlichkeit des Fürsten hatte wenig entflammendes. Er schlug keine Schlachten wie sein Widersacher Friedrich II. von Preußen und später Napoleon. Obwohl - oder besser - weil beide viel Blut vergossen, sind sie ungleich häufiger beschrieben worden.

Wenzel Antons Nachlaß wurde versteigert. Die Söhne waren über den Reichtum an Bildern, Porzellan, Kassetten und goldenen Medaillen überrascht, die ihm fremde Herrscher, besonders die Zarin Catharina II. verehrt hatten.

Der alte Fürst wurde einbalsamiert und am 29. Juni auf einem Paradebett im Mariahilfer Gartenpalais ausgestellt. Trotz der zahlreichen Infanterie und Kavallerie konnten Unglücksfälle der herbeieilenden tausenden von Menschen und hunderten von Wagen nicht vermieden werden. Im Trauersaal herrschte aber Stille und große Andacht. Am 30. Juni wurde der Leichnam nach Austerlitz überführt und in der von ihm selbst gebauten Gruft der neuen Pfarrkirche beigesetzt. Sein Leichnam ist heute noch gut erhalten und liegt jetzt in der Gruft auf dem Friedhof von Austerlitz mit seinem Vater, seinen Söhnen Ernst Christoph und Dominik Andreas und deren Frauen.

Auch in Rietberg wurde der Tod betrauert. Er wurde nicht nur von den Kanzeln aller Kirchen der Grafschaft verkündet, sondern die Nachricht auch an den Kirchtüren, den Kanzleitüren und am Rathaus von Rietberg angeschlagen.

Die Landestrauer in Rietberg umfaßte, daß durch 4 Wochen erfolgte Läuten der Glocken von 12 bis 1 Uhr, jeweils mit "einigen Absätzen" in allem Kirchen der Grafschaft. Bei den in allen Kirchen erfolgenden Exequien sollten zu Rietberg 50 Rtlr. und in den Landpfarreien je 20 Rtlr. an die Armen verteilt werden. Die Exequien wurden nach Fertigstellung der Trauerkleider für die Beamten abgehalten.

Nach dem vom verstorbenen Fürsten selbst am 23.10.1784 zu Wien erlassenen Trauerpatent unterblieb - mit Ausnahme der bei der Regierung und Kammer angestellten Räten - die Anlegung von Trauerkleidern. Trotzdem betrug die "Trauerrechnung" in den Rietberger Rentrechnung immerhin 610 Rtlr.

Gleichzeitig erging an alle Lehnsleute der Grafschaft Rietberg und der Herrlichkeit Ehden die Einladung zu einem Lehnstag, an dem die Lehnsleute das Lehen aus der Hand des nun regierenden Fürsten Ernst Christoph wieder empfingen. Die Aufforderung zum Lehnstag wude in den Intelligenzblättern von Paderborn und Münster verbreitet.

Eine weitere Folge des Todes war, daß die Post nicht mehr kostenlos befördert wurde. Fürst Wenzel Anton als Staatskanzler hatte dieses Privileg genossen. Zwischen dem kaiserlichen Postamt zu Paderborn war mit der Rietbergischen Regierung ein förmlicher Vergleich geschlossen worden, der auch 1794 noch in Gebrauch war, daß die Post zwischen Nürnberg und Rietberg kostenlos befördert wurde, dafür wurde nach Nürnberg bzw. nach Paderborn eine jährliche Zahlung geleistet.

Eine Aufstellung des Nachlasses (besonders eine Tierzählung auf den Gütern) ist interessanterweise im Archiv Rietberg, in der Akte 865 erhalten. Der Fürst hatte in seinem Testament bestimmt, daß keine Separierung des Fideikommissvermögens mit dem Allodialvermögen stattfinden sollte, sondern sein ältester Sohn sollte in alle Rechte eingesetzt werden.

Anläßlich Wenzel Antons Tod wurde in Regensburg 1794 eine lateinische Gedächtnisschrift anonym verfaßt: In Laudem Wenceslai S. R. I. Principis a Kaunitz-Ritberg, Austriae Supremi Status Administri.

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